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Selbstverpflichtung des Berufskollegs


Seit dem 2. Dezember 2016 hat das Werkstatt-Berufskoleg die Urkunde "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage".
Es waren umfangreiche Vorbereitungen notwendig, damit das Berufskolleg die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ erhalten konnte.
a) Jugendliche der Berufsfachschule sammelten Unterschriften von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Mitarbeitenden der Schulverwaltung. Sie alle verpflichten sich zu folgenden Verhaltensregeln:

„- Ich werde mich dafür einsetzen, dass es zu einer zentralen Aufgabe meiner Schule wird, nachhaltige und langfristige Projekte, Aktivitäten und Initiativen zu entwickeln, um Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, zu überwinden.
- Wenn an meiner Schule Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder Handlungen ausgeübt werden, wende ich mich dagegen und setze mich dafür ein, dass wir in einer offenen Auseinandersetzung mit diesem Problem gemeinsam Wege finden, uns zukünftig zu achten.
- Ich setze mich dafür ein, dass an meiner Schule einmal pro Jahr ein Projekt zum Thema Diskriminierungen durchgeführt wird, um langfristig gegen jegliche Form von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, vorzugehen.“

Nach den Vorgaben der Bundeskoordination des Projektes (http://www.schule-ohne-rassismus.org/startseite/) müssen mindestens 70 Prozent aller an einer Schule mitwirkenden Menschen diese Erklärung unterzeichnen. Das BK hat die erforderliche Quote erreicht.

b) Eine weitere Bedingung für die Anerkennung besteht darin, einen Aktionstag zu veranstalten, mit dem die Schule klare Zeichen und Akzente setzt. Das geschah am 18. März im Rahmen der Wochen gegen Gewalt und Rassismus in Unna. Tanz, Spiele, Workshops, internationale Küche und zahlreiche Infotafeln zur Situation von Geflüchteten prägten den Tag, der auch zahlreiche Besucher aus anderen Schulen anlockte. Zu den Aktionen, deren Dokumentation das BK dann im Zuge der Antragstellung an die Bundeskoordination schickte, gehörten noch die Teilnahme am Fair-Trade-Turnier am 16. April in Unna-Bausenhagen, die Teilnahme am Integra-Cup am 23. April in der Unnaer Hellweg-Sporthalle und die Mitwirkung am Fest der Begegnung am 22. April aus Anlass einer AfD-Kundgebung.

c) Nachdem am 28. August das BK die Nachricht erhalten hatte, dass es die Auszeichnung erhält, begannen auch schon die Planungen für die Feierstunde zur Übergabe der Urkunde. Zudem wurden jetzt auch die Namen der Paten bekannt gegeben, die das Berufskolleg begleiten werden: Hans-Martin Böcker, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Unna, Christa Buß, Lehrerin und im ersten Jahr des BK hier tätig, und der Musiker Joseph Mahame.
Am 2. Dezember übergab während eines Festaktes mit einem vielseitigen Programm die Koordinatorin des Projektes auf Kreisebene, Sevgi Kahraman-Brust, die Urkunde an Schulleiter Dieter Schulze. 

Ansprachen der Paten

 

Während des Festaktes haben die drei Paten des Projektes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ in ihren Ansprachen die Bedeutung der Auszeichnung dargestellt und erläutert. Hans-Martin Böcker, Superintendent des Kirchenkreises Unna, Lehrerin Christa Buß und der Musiker Joseph Mahame setzten in den Reden aber jeweils eigene Schwerpunkte.


Hans-Martin Böcker:


Liebe Schülerinnen und Schüler, sehr geehrte Damen und Herren.

Zunächst einmal möchte ich Ihnen ganz herzlich dafür danken, dass Sie mich als Paten für das Projekt „Schule ohne Rassismus- Schule mit Courage“ ausgesucht haben. ihre Anfrage hat mich sehr gefreut.

Auf der Homepage der Bundeskoordination des Projektes steht, dass es bei Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage darum geht, Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit zu bieten, das Klima an der Schule aktiv mitzugestalten und sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt zu wenden. Anders formuliert: Schule soll ein Ort der Toleranz und des gegenseitigen Respekts sein.

Für mich basiert „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ nach meinem Verständnis auf einem so einfachen wie banalen Satz, der Geschichte geschrieben hat: „Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es.“.

Es handelt sich dabei um den ersten Artikel der am 26. August 1789 von der französischen Nationalversammlung proklamierten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Dass dieser Satz und sein brisanter Inhalt trotz seiner Banalität keine Selbstverständlichkeit ist, mussten bereits kurze Zeit nach seiner feierlichen Proklamation, zahlreiche Mitglieder der Nationalversammlung am eigenen Leib erfahren, als sie auf dem Place De la Concorde in Paris einen Kopf kürzer gemacht worden sind.

Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Dafür, dass dem so ist haben viele Frauen und Männer seitdem gekämpft und viele davon haben ihr Leben gelassen. Sie kämpften gegen Monarchen und Adel, die sich für etwas Besseres hielten, gegen Nationalisten, Kommunisten und Nationalsozialisten.

Ohne diesen Satz und den daraus resultierenden Einsatz vieler Mutiger gäbe es heute keine moderne Demokratie.

Die Freiheit und Gleichheit aller Menschen ist für uns – 227 Jahre nach ihrer Proklamation – eine Selbstverständlichkeit. Unser ganzer Staat, unser Grundgesetz basieren auf ihr.

So heißt es Im 1. Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Ich denke, dass wir das alle unterschreiben können.

Die Rechtspopulisten und auch andere fanatische Weltanschauungen denken freilich anders. Sie vertreten die Ideologie der Ungleichwertigkeit. Die Ideologie der Ungleichwertigkeit äußert sich auf die unterschiedlichste Art und Weise: 
Auf Schulhöfen, auf öffentlichen Plätzen. Immer wieder kommt es zu Schändungen von jüdischen Friedhöfen und Synagogen. Antisemitismus ist eine solche Ideologie der Ungleichwertigkeit. 

Diese Ideologie kostete 6 Millionen Juden das Leben. In Deutschland wurden aber auch ca. 70.000 Menschen mit Behinderung getötet. Im Zweiten Weltkrieg sterben insgesamt über 65 Millionen Menschen. Die Weltanschauung der neuen Nazis unterscheidet sich nicht wesentlich von denen der alten Nazis.

Geht es nach dem Willen der NPD, sind nicht die Würde des Menschen und die unveräußerlichen Menschenrechte für den Staat verpflichtend, sondern das deutsche Volk als Grundlage einer deutschen Volksgemeinschaft. All dieses Denken der Ungleichwertigkeit finden wir heute zuhauf.  

Wir finden dieses Denken im Dschihadismus: Die Ungleichwertigkeit der „Ungläubigen“, der Juden und auch der Homosexuellen gegenüber den Anhängern des „Wahren Glaubens“ spielt eine zentrale Rolle in der Ideologie islamistischer Extremisten. In allen Schichten der Gesellschaft existieren Ideologien der Ungleichwertigkeit und es kommt zu Ausgrenzungen, Diskriminierungen und Abwertungen. Das Denken der Ungleichwertigkeit findet man im klassischen Bildungsbürgertum genauso wie in bildungsbenachteiligten Schichten, im Osten genauso wie im Westen. im Seniorenheim genauso wie auf dem Schulhof. 

Die Ideologien der Ungleichwertigkeit haben Gemeinsamkeiten und gleiche Wirkungsweisen. All diese Ideologien stufen die Gruppe, die diskriminiert wird, herab: Homosexuelle, Jüdinnen und Juden, Muslimas und Muslime oder Flüchtlinge. Mit dieser Abwertung geht die Aufwertung der eigenen Gruppe einher. Der homophobe Heterosexuelle, die fundamentalistische Christin, der Islamist, der Rechtsextreme: Sie alle vergewissern sich mit dem Ungleichwertigkeitsdenken ihrer eigenen Wertigkeit. Anstatt den Wert aus sich selbst zu schöpfen, wird er in Abgrenzung zu anderen gesucht. 

Diese Ideologie der Ungleichwertigkeit steht im direkten Konflikt mit den Grundsätzen der Demokratie. Das Grundgesetz basiert auf dem Gedanken der Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Bürgerinnen und Bürger. Aus diesem Grund muss die politische Bildung, so wie sie auch hier an dieser Schule vermittelt wird, einen Kontrapunkt gegenüber dieser Ideologie darstellen.

Gleichwertigkeit ist einer der zentralen politischen Grundwerte.

Der Forderung der Französischen Revolution setzen die eben genannten Ideologien die „natürliche Ungleichheit der Menschen“ entgegen. Auch in unserer Umgebung gibt es Menschen, die diese oder ähnliche Ansichten teilen. Frage:  Gilt Meinungsfreiheit auch für deren Gegner?

Das sind Fragen, mit denen ich mit Ihnen gerne diskutieren würde.

Meine Meinung ist diesbezüglich eindeutig. Die Evangelische Kirche und damit auch der Evangelische Kirchenkreis Unna steht fest an der Seite derer, die sich für Toleranz und Meinungsfreiheit gegen Rassismus und Gewalt einsetzen. Und damit stehen wir auch an der Seite des Werkstatt Berufskollegs.

In Ihrer Dokumentation über Rassismus und Gewalt wird deutlich, auf welch vielfältige Art und Weise Sie sich engagiert haben in Projektwochen und Aktionstagen, wie Sie sich gegen Gewalt und Rassismus einsetzen, Fair Trade Turnier, Integra  Fußball Cup, Mitwirkung beim Fest der Begegnung auf dem Kirchenvorplatz hier in Unna, wo ja auch unsere Kirche Flagge gezeigt hat, gelebtes, tolerantes Miteinander fremder Kulturen, Europafest,  Ausstellungen mit Fotos, Zeichnungen, Texten und Infotafeln, die Nutzung der modernen Medien und sozialen Netzwerke, um für ein buntes Miteinander zu werben, all das führt dazu, dass Sie von nun an diesen wunderbaren Beinamen „Schule ohne Rassismus Schule mit Courage“ tragen dürfen und sollen. Es ist ja auch eine Verpflichtung.

Liebe Schülerinnen und Schüler, sehr geehrte Damen und Herren.

„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“

Hinter der gesamten Idee, mit ihren Schulen, den Patinnen und Paten, mit dem riesigen Netzwerk auf regionaler, Landes- und Bundesebene steht immer derselbe Gedanke. Die Eindämmung des Denkens der Ungleichwertigkeit muss der Maßstab einer Gesellschaft sein, in der sich Vielfalt nicht als Schwäche, sondern als Reichtum zeigt.

Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit als hohes Gut zu achten und zu schützen, ist für uns alle, für „Schule ohne Rassismus“, aber auch für alle anderen gut meinenden Menschen eine wichtige, gemeinsame Aufgabe.

Ich bin deshalb gerne Pate dieses wichtigen Projektes „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“ geworden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Ich freu mich auf die Gespräche mit Ihnen.

 

Christa Buß:

Wie schön, hier zu sein, um mit Ihnen allen diesen Tag zu feiern. Der Titel „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ der Ihnen heute verliehen wird, ist ehrenvoll und anspruchsvoll zugleich. In Ihrer Dokumentation kann man nachlesen, was Sie alles gegen Rassismus und Gewalt schon in Bewegung gesetzt haben. Das ist höchst ehrenvoll.

Der Titel nimmt sie aber auch in die Pflicht:

Sie versprechen und verpflichten sich mit Ihrer Unterschrift, jeglicher Form von Diskriminierung an Ihrer Schule mit Projekten aktiv entgegenzuwirken;

sie versprechen, dafür zu sorgen, dass Gewaltprobleme an Ihrer Schule auf friedliche Art und Weise gelöst werden; und Sie versprechen, einmal jährlich ein Projekt zu initiieren, das langfristiges Vorgehen gegen Rassismus möglich macht. Ein hoher Anspruch! Es wird viel von Ihnen erwartet!

Diesen Anspruch durchzusetzen, erfordert großes Engagement von Ihnen allen neben dem, was das Schulleben eh schon tagtäglich fordert. Und aus 40-jähriger Schulerfahrung weiss ich, dass nicht immer alles nach Plan läuft. Ich wünsche Ihnen für Ihr Vorhaben viel Geduld und Durchhaltevermögen.

Eine Schule ohne Rassismus?!

Wenn von Rassismus die Rede ist, am Stammtisch in der Kneipe oder auf der Strasse, bewegen wir uns gerne in der Vergangenheit. Rassismus, das war ein Problem des Nationalsozialismus. Längst Geschichte! Leider ist das nicht so. Offensichtlich haben wir aus unserer Vergangenheit wenig gelernt. Rassismus ist ein Gegenwartsphänomen - und auch nicht nur der rechten Szene zuzuordnen.

Rassistisches Denken findet sich mitten in unserer Gesellschaft: Diskriminierung von Fremden, von Andersdenkenden, von Homosexuellen, von Frauen sind an der Tagesordnung. Fast unauffällig hat sich solches Denken, Reden und Handeln in unserem Alltag eingenistet. Die anfängliche Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen ist merklich geschrumpft. Der Hass auf andere, auf die, die nicht so sind wie wir, die eine andere Kultur haben, sich einer anderen Religion zugehörig fühlen, wurzelt inzwischen in vielen Köpfen. Das müssen wir sehr ernst nehmen, denn es verursacht Angst. Und diese Angst ist gefährlich!

Angst macht blind und starr oder aggressiv und läßt uns nicht das Positive, das in der Veränderung liegen kann, sondern nur das Negative sehen. Fremde Lebensweise hinterfragt möglicherweise die eigene! Sie läßt manche Menschen blind auf andere einschlagen - in doppelter Hinsicht. Auf diese Weise werden Diskriminierung und Gewaltaktionen, verbale wie tätliche, selbstverständlich und alltäglich.

Hier nur ein paar Beispiele:
Hassmails im Internet: „Dich sollte man an den nächsten Kran hängen!“ Harmlos klingende Äußerungen mit unterschwellig kulturrassistischer Tendenz: „Ich hab ja nichts gegen Dich persönlich, aber ... musst Du unbedingt mit ,nem Kopftuch rumlaufen? ... müsst Ihr unbedingt hier in unserer Nachbarschaft untergebracht werden? ... ein Lehrer zu einer im Unterricht quatschenden Schülerin (einer Türkin): Du bist hier in diesem Land nur Gast - also benimm Dich gefälligst!“

Brutale Aktionen: Überfälle auf fremdaussehende Einzelpersonen - alle schauen weg, keiner hilft; brennende Häuser und anderes mehr. Dieser gefährlich facettenreiche Rassismus mitten unter uns wirkt wie ein Flächenbrand. Brände müssen gelöscht werden.

Aber wie? Und womit? In der Antwort darauf ist mir dreierlei wichtig:

Solche Brände (schwelende Glut) müssen (muss) aufgedeckt, offenkundig gemacht werden: „Das, was Du da gesagt oder getan hast, verletzt andere Menschen, raubt ihnen die Luft zum Atmen, macht sie fertig, stellt ihre Würde in Frage.“

Wir alle müssen gegen solche Denkweise bewußt vorgehen. Wir müssen Augen und Ohren aufsperren, hinschauen, hinhören, eingreifen und vor allem aufklären. Das geschieht durch Bildung, durch Vermittlung von Wissen, zum Beispiel über fremde Kulturen und andere Religionen.

Es reicht nicht aus, immer wieder nur von „unseren Werten“, die geschützt werden müssen, zu reden, - leeres geschwätziges Wortgeklingel! Solidarität, Hilfsbereitschaft, Mitmenschlichkeit, Freundlichkeit und Güte werden dann spürbar, wenn sie ausgeübt werden, ob auf der Straße, in der Disco oder am Arbeitsplatz. Und in besonderer Weise gilt das für das Miteinander in der Schule, wo es um das Wohl und die Zukunft junger Menschen geht, die auf uns angewiesen sind. In einer liebevollen und freundlichen Atmosphäre lernt man besser! Werte wollen gelebt werden! Nur so werden sie wertvoll.

„Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ Genießen Sie die Ehre dieses Titels und seien Sie sich gleichzeitig der Verpflichtung bewusst. Lassen Sie das auf vielfältige Weise im Schulalltag lebendig werden.Dafür danke ich Ihnen schon jetzt und wünsche Ihnen allen einen klaren und wachen Verstand, ein weites Herz und eine gute Hand bei all dem, was sie in Zukunft zu entscheiden und zu tun haben.

 

Joseph Mahame:

Wir alle sind für Rassismus anfällig. Das können Gedanken und Ideen sein, die uns in den Sinn kommen, aber auch Äußerungen, zu denen wir uns hinreißen lassen. Doch der Umgang mit den Gefahren, denen wir hier ausgesetzt sind, lässt sich mit der Zahnpflege sehr gut vergleichen. Wer gesunde Zähne hat, der muss entsprechende Vorsorge treffen, dass es auch so bleibt. Wer ungesunde Zähne hat, er braucht eine Zahnpflege, die heilende Wirkung entfaltet. Das bedeutet für unser Thema, dass rassistisches Gedankengut überwunden wird oder sich erst überhaupt nicht entfalten kann.

Die Gründe und Ursachen für rassistisches Verhalten können vielfältig sein. Oftmals hat es etwas damit zu tun, dass Menschen Existenzangst haben und fürchten, dass ihnen etwas genommen wird, wenn beispielsweise Flüchtlinge und Migranten ins Land kommen. Andererseits ist es auch vielfach die reine Existenzangst, die Menschen zu Flüchtlingen werden lässt. Wegen politischer oder religiöser Verfolgung kehren sie ihrer Heimat den Rücken oder die Lebensbedingungen sind so katastrophal, dass die Flucht für sie der einzige Ausweg bleibt.

Um die besten Lösungen für ein Zusammenleben zu finden, ist es aber ganz entscheidend, dass wir uns durchaus der Unterschiede zwischen den Menschen bewusst sind und diese aber nicht als Problem, sondern als Chance verstehen und die Vielfalt betonen.

Lasst uns Menschen zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Bedrohungen zu bewältigen. Rassismus schadet uns allen. Es lebt sich besser, wenn wir Menschen in Freundschaft miteinander verbunden und in Unterstützung füreinander da sind.

 

 

 

Persönlichkeiten mit Courage

Beim Festakt zur Verleihung der Urkunde „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ hat die Klasse FSO (Fachschule für Sozialpädagogik, Oberstufe) Portraits von Menschen vorgestellt, die auf besondere Weise Courage bewiesen haben. Dazu gab es eine Talkrunde, bei der der Talkmaster die SuS befragte, die in die Rolle der jeweiligen Personen geschlüpft waren. Daher erscheinen die Berichte hier in Ich- oder Interview-Form. Die Leitung der Theater AG hatte Lehrerin Helga Deußen inne.


1. Antonie Becker
Daten:
Name: Antonie Becker (Geborene Rammelmann)

Geboren am 18.10.1907 in Werl

Gestorben am 15.05.1992 in Unna

Eltern: Hermann und Maria Rammelmann

Geschwister: Elisabeth, Hermann, Josef (Jupp), Casper, Franziska, Franz, Heinrich

Lernte ihren späteren Mann Wilhelm Becker (Geb. 05.05.1903; Gest. 27.10.1955) um 1928in Hemmerde kennen

Heirat folgte im Jahr 1935

Kinder: Wilhelm (*1936), Josef (*1937), Hildegard (*1938; +2004), Marianne (*1942) und Karl-Heinz (*1944)

Wilhelm Becker Ende 1939 als Soldat in den Krieg eingezogen

„Wir schreiben das Jahr 1943. Zu dieser Zeit befinden wir uns im Dorf Hemmerde, welches nur wenige Minuten von der Stadt Unna entfernt ist. Mein Ehemann Wilhelm Becker ist seit längerer Zeit im Kriegseinsatz als Transportlieferant am Flughafen in Berlin-Tegel tätig. Meine vier Kinder (Alter: ein bis sieben Jahre) und ich wohnen in einem schönen Einfamilienhaus in Hemmerde, welches wir 1939 neu gekauft hatten. Zu erwähnen ist auch, dass unsere und auch andere Familien der römischen-katholischen Konfession angehören und somit der Schikane der NS-Soldaten ausgesetzt sind. Diese Schikane zeigt sich durch Bedrohungen, Beleidigungen, Belästigungen oder auch durch Verfolgungen. Ebenso werden die Frauen im Dorf auf eine andere Weise schikaniert. Jeden Mittwochabend findet ein Frauenabend vom Bund der deutschen Frauen in der Gaststätte „Oestervoß“ im Dorf statt. Dort haben die Frauen teilzunehmen! Ich jedoch bin mit meinen vier Kindern alleine zu Hause, da mein Mann wieder im Kriegseinsatz ist. Selbstverständlich kann ich die Kinder nicht alleine lassen! Nach einem dieser Abende klopfte es spät abends an unserer Haustür. Vor dieser standen zwei NS-Soldaten, die mich fragten, wo ich denn gewesen sei. Ich erklärte ihnen, dass ich mich um die Kinder zu kümmern habe, da mein Mann im Kriegseinsatz ist. Daraufhin verschwanden die beiden NS-Soldaten. Eine Woche später klopften sie wieder an die Haustür. Dieses Mal waren es andere Soldaten. Auch ihnen erklärte ich die momentane Situation, die wir durchleben. Knapp eine Woche später kam mein Mann zum Heimaturlaub zu uns nach Hause. Nachdem er uns nach einer weiteren Woche wieder verlassen hatte, wurde er in Berlin-Tegel von seinem Hauptmann zum Gespräch bestellt. Dieser hatte einen Beschwerdebrief von der Gemeinde Hemmerde in der Hand, in dem meinem Mann vorgeworfen wurde, dass ich an den Frauenabenden im Dorf teilzunehmen habe. Mein Mann erklärte seinem Hauptmann die Lebenssituation zu Hause. Daraufhin überlegte der Hauptmann einen Moment, ehe er den Beschwerdebrief in kleine Brieffetzen zerriss und meinem Mann so verdeutlichte, dass er auf seiner Seite ist. Ich bewundere die Zivilcourage, die der Hauptmann uns gegenüber gezeigt hat. Es hat ihn viel Mut gekostet, diesen Brief zu zerreißen. Immerhin musste er jederzeit mit Konsequenzen für seinen mutigen Einsatz rechnen.                                                                                                                                   (Text: Rebecca Meier)

 

2. Rosa Parks

Der Talkmaster erzählt kurz eine Geschichte dazu: Die Rassentrennung gehörte in den Südstaaten der USA bis weit in die fünfziger Jahre zum Alltag. Doch nirgendwo wurde sie so deutlich sichtbar wie in den Bussen. Die vorderen Reihen waren für Weiße reserviert. Die hinteren für Schwarze. Die Mitte blieb eine Grauzone, über die Busfahrer allein bestimmen konnten. War der Bus voll, vertrieben sie die Schwarzen, um die Plätze für Weiße freizumachen.

Genau das geschah Rosa Parks und ihren drei Sitznachbarn an diesem 1. Dezember 1955 in Montgomery, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Alabama.

Talkmaster: „Was ist damals im Bus passiert?
Rosa: „Es war ein ganz normaler Nachmittag. Ich kam wie immer von der Arbeit im Kaufhaus „Montgomery Fair“ und stieg in den nächsten Bus. In Gedanken war ich schon beim Abendessen, als der Busfahrer mich und meine Sitznachbarn plötzlich anschnauzte: ,Bewegt euch, ich brauche eure Sitze."
Talkmaster: „Sind sie aufgestanden?“
Rosa: „Nein, statt sich wie die anderen klaglos nach hinten zu verziehen, blieb ich sitzen.
Talkmaster: „ Können sie sich noch erinnern wie der Fahrer hieß?“
Rosa: „Der Fahrer hieß James Blake, ein Name der sich für immer in meinem Gedächtnis einprägen sollte.“
Fahrer: „Stehst du wohl auf?", verlangte er.
Rosa: „Doch ich schaute ihm direkt in die Augen und antwortete: „Nein.“ Der Fahrer: „Dann lasse ich dich verhaften“, blaffte Blake.
Rosa: „Ich antwortete würdevoll: „Das dürfen sie gern machen. Wenige Minuten später führte die Polizei mich ab.“
Talkmaster: Gab es einen konkreten Grund, warum sie ausgerechnet an diesem Tag aufbegehrten?
Rosa: „Ich wollte nicht ständig für etwas beleidigt werden, auf das ich keinen Einfluss habe: die Farbe meiner Haut."

Mutter der Bürgerrechtsbewegung
Noch in derselben Nacht beschlossen Montgomerys Bürgerrechtler den stadtweiten Boykott der Busse und legten die Organisation in die Hände des damals noch unbekannten Pastors Martin Luther King. Fortan lief die schwarze Bevölkerung, teilte sich Taxis und bildete Fahrgemeinschaften. Nach 381 Tagen konnten die Streikenden ihre zentrale Forderung endlich durchsetzen: Die Rassentrennung in Montgomerys Bussen wurde als verfassungswidrig anerkannt und aufgehoben.
                                                                                           (Text: Viola Werner)

 

3. Die Frau vom Checkpoint Charlie

Mein Name ist Jutta Fleck, ich bin die Frau vom Checkpoint Charlie.

Ich wollte mit meinen zwei Kinder von der DDR nach Westdeutschland gehen.

Ich habe einen Ausreise Antrag gestellt, dieser wurde abgelehnt. Damit wuchs der Wunsch nach Freiheit noch mehr. Ich versuchte mit meinen Kindern zu fliehen, doch der Plan ging nicht auf, da wir von der Stasi abgehört wurden. Sie nahmen mich daraufhin fest und nahmen mir meine beiden Töchter weg. Ich wusste nicht, was mit meinen Kindern passiert.
Ich kam 2 Jahre in Haft. Von meinen Kindern habe ich nichts gehört.

Nach 2 Jahren wurde ich endlich freigekauft. Ich wurde von der BRD freigekauft. Aber ohne meine Kinder wollte ich nicht leben. Mir wurde nicht gesagt, wo meine Kinder sind und wie es ihnen geht.

Ich kämpfte von Anfang an, doch ich scheiterte. Ich machte meine Situation öffentlich und demonstrierte mit einem Schild regelmäßig am Checkpoint Charlie. Auf meinem Schild stand „gebt mir meine Kinder zurück!“ Insgesamt demonstrierte ich dort ein halbes Jahr lang.

Die Stasi (Staatssicherheit) versuchte mich einzuschüchtern. Sie erzählten meinen Kindern, dass ich tot sei und mit dem Adoptionsverfahren einverstanden war. Durch einen Bericht (Zeitungsbericht) erfuhren sie aber schließlich die Wahrheit. Durch die Pflegemutter, bekam ich meine Kinder nach 4 Jahren wieder. (ca. 1980 /90)            
                                                                                        (Text: Janina Herzschuh)

 

4. Leutnant Henry Howe

Mein Name ist Leutnant Henry Howe und ich war der erste Soldat, der sich damals öffentlich gegen den Vietnamkrieg äußerte. 1965 folgten mir viele Soldaten. Wir demonstrierten auf einer Antikriegs-Demonstration mit Transparenten und forderten den Vietnam.
Es war mir bewusst, dass mein Handeln negative Auswirkungen mit sich bringt. Ich wurde zu 5 Jahren Zwangsarbeit und Gefängnis verurteilt. Der positive Effekt überwog alles. Durch meinen öffentlichen Aufschrei bewegte sich etwas! Viele Einheiten in Vietnam verweigerten den Kampf. Eine Friedensbewegung begann und weltweit demonstrierten Menschen gegen den Krieg.
Ob ich wieder so handeln würde? Ja, absolut! Um einen sinnlosen Krieg zu beenden würde ich mein Handeln jederzeit wiederholen!
                                                                                                  (Text: Tanja Lietzau)